4.4.2022 – LG Hamburg: Keine Rettungsgassenpflicht im innerstädtischen Bereich – Haftung zu 60% des Autofahrers bei Kollision mit Einsatzfahrzeug

LG Hamburg vom 18.2.2022, Az. 306 O 471/20

Ein Funkstreifenwagen näherte sich von hinten kommend einer Kreuzung und den dort haltenden Fahrzeugen. Aufgrund eines Einsatzes fuhr er mit zugelassenen Sonderrechten (Blaulicht und Martinshorn). Der Streifenwagen überholte die vor ihm haltenden Fahrzeuge links unter Benutzung der dortigen Sperrfläche.

Eines der Fahrzeuge fuhr mit seinem Fahrzeug ein Stück nach links auf die Sperrfläche, um zwischen seinem und dem rechts von ihm befindlichen Fahrzeug eine „Rettungsgasse“ zu bilden. Unmittelbar vor der Kreuzung, kam es daher zu einer Kollision zwischen dem Funkstreifenwagen und dem Fahrzeug des späteren Klägers, bei der das Fahrzeug des Klägers im linken Seitenbereich und der Funkstreifenwagen im vorderen rechten Bereich beschädigt wurden.

Der geschädigte Autofahrer war der Ansicht, keine Schuld an dem Unfall zu haben, da der Streifenwagen die Rettungsgasse hätte nutzen müssen, die extra gebildet worden sei.

Die Versicherung des Streifenwagens verweigerte die Zahlung. Der Autofahrer habe erst kurz vor Ankunft des Einsatzwagens nach links gezogen, eine Kollision sei unvermeidbar gewesen.

Das LG Hamburg entschied, dass der Autofahrer zu 60%, der Streifenwagenfahrer zu 40% hafte.

Eine „Rettungsgasse“ sei nach § 11 Abs. 2 StVO auf Autobahnen und Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung zu bilden. Diese Vorschrift gelte aber nicht für den innerstädtischen Verkehr. Hier gelten andere Maßstäbe.

Im konkreten Fall sei anzunehmen, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt seines Ausscherens nach links hätte erkennen können und müssen, dass sich das Einsatzfahrzeug bereits links eingeordnet hatte und durch die Benutzung der schraffierten Sperrfläche vorbeifahren wollte. Er hätte daher auf keinen Fall nach links ausscheren dürfen.

Der Einsatzwagenfahrer sei hingegen für die konkrete Verkehrssituation – Befahren einer schraffierten Fläche im Kreuzungsbereich – zu schnell unterwegs gewesen. Auch im Einsatz müsse die öffentliche Sicherheit und Ordnung berücksichtigt werden.

Daher sei eine Quotelung von 60 zu 40 angemessen.